In einer Verteidigungssituation ist es oftmals für den geübten Verteidiger einfacher, die Oberhand zu gewinnen und den Angreifenden zu fixieren, als innerhalb eines geplanten Zugriffs. Das liegt an mehreren Faktoren. Reaktion: Bei einem Angriff reagiert der Angegriffene in der Regel aus Selbstschutzgründen instinktiv durch Flucht oder Verteidigung. Auch das Körperinnere reagiert. Der Körper schüttet in Extremsituationen Stresshormone (Adelrain, Noradrenalin) aus, die u. a. wie folgt wirken: Steigerung der Leistung des Herzens durch Erhöhung der Kontraktionsfähigkeit, Erweiterung der Blutgefäße in den Skelettmuskeln, Verengung der Blutgefäße der Eingeweide. Der Körper wird so — vereinfacht gesagt — leistungsstärker, der Verteidigende aggressiver. Dies ist natürlich von großem Vorteil, wenn man angegriffen wird.
Das Ganze sieht bei einem bevorstehenden geplanten Zugriff nicht selten anders aus. Aktion: Bei einer Aktion im Sinne eines Zugriffs, hat man zwar in aller Regel das Überraschungsmoment grundsätzlich auf seiner Seite, aber auch Zeit bis zum Start der Aktion. In dieser Zeit läuft oft das Kopfkino: „Werde ich das schaffen oder werde ich dabei verletzt?“. Und diese Zeit ist nicht für jede*n gleich von nutzen.
Warum ist das trotz vermeintlich taktischer Vorteile so? Der Proband steht unter Stress kurz vor einem Zugriff, auch er schüttet dadurch, ohne selbst angegriffen zu werden, Stresshormone aus. Leider können diese Stresshormone in Einzelfällen zum kompletten Gegenteil führen, was man ansonsten von den Wirkungen der Stresshormone kennt, nämlich zur Schockstarre. Der Betroffene ist während der Schockstarre zumindest eine gewisse Zeit handlungsunfähig, fast wie gelähmt. Bei einem Zugriff, bei dem noch weitere Kollegen beteiligt sind, ist das natürlich eine denkbar schlechte Situation. Wie also lässt sich diese Schockstarre überwinden? Die Antwort ist: Durch Training, Training, Training. Dem Körper wird so das Muskelgedächtnis antrainiert, das Hirn muss dann nicht so stark arbeiten und die Hormonausschüttungen werden in die richtigen Bahnen gelenkt. Ein weiterer Nebeneffekt, der Proband denkt dann unmittelbar vor dem Zugriff nicht mehr „Werde ich bzw. werden wir das schaffen?“, sondern „Jo, wir schaffen das!“.
Was braucht man also für einen erfolgreichen Zugriff? Eine absolute Überzahl an Personal oder Skills, die einen selbst oder die eigene Gruppe überlegen machen. Zudem benötigt man ein in der Regel realisierbares Kräfteverhältnis von zugreifenden und festzunehmenden Personen von 2 zu 1, oder 3 zu 1. Und da eine absolute Überzahl an Personal nur in seltenen Fällen realisierbar ist, beleuchten wir das Thema Skills.
Ein geplanter Zugriff ist fast schon zum Scheitern verurteilt, wenn die Anfangspositionen der Beteiligten nicht stimmen.
Idealerweise wählt man immer die L oder V Stellung bei 2 Zugreifenden, oder die T Stellung bei 3 Zugreifenden Beteiligten. Ein Zugreifer gibt das Kommando zum Zugriff, und das sollte ein neutrales Wort sein, damit sich der Festzunehmende nicht auf den Zugriff einstellen kann. Der Zugriff an sich, sollte zuvor einstudiert worden sein, ebenso wie die eventuell erforderlichen Alternativen. Je nach dem, wie sich die Lage entwickelt.
Worauf ist bei den Zugriffstechniken zu achten? Ganz klar muss jeder Beteiligte wissen, wer an welche Extremität der festzunehmenden Person geht, wie diese abgelegt oder weggeführt werden soll. Sind diese Abläufe unbekannt, oder vergessen, wird man sich während des Zugriffs unweigerlich selbst blockieren, und dem Festzunehmenden unnötig Schmerzen zufügen.
Die festzunehmende Person schüttet natürlich auch Stresshormone aus. Das kann man etwas reduzieren, indem man mit ihr redet, wenn der Zugriff läuft. In etwa so: „Wir legen sie auf den Bauch und legen Handfesseln an, seien sie kooperativ und wir werden ihnen weniger Schmerzen zufügen“. Wenn diese Person weiß, was man von ihr will, und sie dafür weniger Schmerz in Aussicht gestellt bekommt, wird sie sich in der Regel kooperativer verhalten.
Neben des Wissens, an welche Extremität jeder Beteiligte muss, muss auch jeder Beteiligte wissen, wie man ggf. einen Schockschlag und einen Hebel ansetzt, ebenfalls sollte jeder Wissen, was BTM bewirken, hinsichtlich Schmerzunempfindlichkeiten, und last but not least sollte jeder Beteiligte sein mitgeführtes Werkzeug wie Taschenlampen, Handschliessen, Einsatzstöcke usw. beherrschen und nicht nur kennen — diese Ausrüstungsgegenstände sind ansonsten nur reiner Ballast, der auf der Dienststelle bleiben kann.
Wie die einzelnen Skills auszusehen haben, das würde hier den Rahmen sprengen, und auch am Ziel vorbei führen. Schwimmen lernt man schließlich auch nur im Wasser und Zugriffe im entsprechenden physischen Training.