Über die Sicherheitswirtschaft der letzten 20 Jahre in Deutschland — oder: Willkommen im Land der Pilze!

Bis zum Ende der 1990er Jahre fristeten die Sicherheitsfirmen in Deutschland zahlenmäßig bedingt eine untergeordnete Rolle für die wirtschaftlichen Gesamtumsätze. Der Bedarf an privater Sicherheit hat seit Beginn des 21. Jahrhunderts stetig zugenommen. Dies hat vielerlei Gründe:

  • Die Auflagen der Genehmigungsbehörden, Sicherheitsfirmen für bestimmte Anlässe beauftragen zu müssen, erfüllten dabei sogar eine Doppelrolle. Erstens wurde der Bedarf an Sicherheitsfirmen erhöht und zweitens wurde Schwarzarbeitende ohne Gewerbe die Betätigung erschwert, da man sehr oft den Gewerbetreibenden für die Genehmigungen genannt haben wollte.
  • Das Konfliktmanagement innerhalb der Gesellschaft befand sich ab Mitte der 1990er in einer spürbaren Veränderung — auch hier mit vielfältigen Ursachen: Verschiedene ethnische Gruppierungen, die sich vormals nie physisch begegnet sind, trafen jetzt in Deutschland aufeinander und beanspruchten die „Führungsrollen“ für sich selbst. Radikale politisch motivierte Gruppen erfuhren dank des Mauerfalls in den neuen Bundesländern eine Neubewegung. In den 1990er Jahren waren das vor allem extrem rechts orientierte Gruppierungen. Das Internet erlangte immer mehr an Bedeutung. Mit der steigenden Bedeutung wurde zudem Gewalt immer mehr verharmlost, angefangen von entsprechend verherrlichenden Musikvideos bis hin zu authentischen Videos mit extremen Gewaltdarstellungen. Die Hemmschwelle der Gewaldanwendung ist in dieser Zeit spürbar gesunken, und damit stieg schließlich die Nachfrage an Sicherheit.
  • Der Staat zieht sich aus Kostengründen immer mehr aus der fühl- und sichtbaren Sicherheit zurück. Der Staat würde das niemals zugeben, und diese Worte hier als haltlose Lüge bezeichnen, leider entsprechen sie den Tatsachen. Egal, ob man Polizei- oder Bundeswehrreformen dafür zu Grunde legt, wird klar: Die Reformen haben das Personal minimiert.

Die so entstandenen Lücken schließen die privaten Firmen, vor allem wo es um Prävention geht. Wann hat Mann oder Frau zuletzt einen Schutzmann auf Fußstreife gesehen oder präventiv an „Hotspots“ beobachten können über einen längeren Zeitraum? Da sieht man viel öfters eine private Sicherheitskraft, die Polizei ist mittlerweile zu einer reinen Interventionskraft und Sachbearbeitenden geworden, welche*r erst dann aktiv wird, wenn bereits ein Grund zum Eingreifen offenbar ist.

Bis zum Jahre 2015 konnte man eine stetig steigende Auftragslage bei der Veranstaltungssicherheit wahrnehmen, auch Dienste für Kommunen sind spürbar gestiegen, vor allem mit dem Ziel den Vandalismus als Schaden, den die Solidargemeinschaft zu bezahlen hat, in gewissen Grenzen zu halten.

Im Laufe des Jahres 2015 sind dann alle Dämme gebrochen. Die Kontrollen des Gewerbes fanden bis zu diesem Zeitpunkt nur spärlich statt, ab Mitte 2015 hatte man das Gefühl, die Branche verselbstständigt sich jetzt komplett und alle Leinen sind losgelöst. Und da hat der Staat ebenso seinen Anteil daran.

Möchte jemand ein Friseurgeschäft oder eine KFZ-Werkstatt röffnene, benötigt dieser Jemand zwingend einen Meister-Titel, oder stellt sich einen entsprechenden Meister ein. So ist das trotz EU-Regelung noch in vielen Berufsgruppen der Fall, und das ist auch gut so. In einer Branche, in der es um die Bewachung der Rechtsgüter Eigentum, Freiheit und Leben geht, reicht zur Geschäftseröffnung die Sachkundeprüfung nach §34a GewO. Für den nicht kundigen Leser: Dabei handelt es sich um eine Tagesprüfung bei der IHK.

Der Geldsegen, den 2015 viele im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise witterten, führte dazu, dass die „Sicherheitsbuden“ aus dem Boden schossen, wie Pilze im Oktober im Wald. Oft hatten und haben diese Geschäftsführer*innen nie etwas gelernt, was im entferntesten mit reeller Kalkulation zu tun hatte, das wird aber oft ausgeglichen mit, sagen wir es mal so, einem sehr gut ausgeprägten Geschäftssinn für die Gewinnoptimierung.

Wenn der unkundige Leser nicht weiß, was eine Sachkundeprüfung nach §34a GewO ist, und was man damit so alles „anstellen“ kann, dann weiß er vermutlich auch nicht, was die Mindestqualifikation zum arbeiten im Sicherheitsgewerbe innerhalb Deutschlands ist. Das ist die Unterrichtung nach §34a GewO und das Monopol für eine anerkannte Unterrichtung hat — wie für die Sachkundeprüfung — die DIHK mit ihren regionalen Niederlassungen.

Die Unterrichtung spiegelt fast keine echte Qualifikation wieder. Aus dem einfachen Grund: es gibt keinerlei Prüfung. 5 Tage à 8h Anwesenheit reichen völlig aus, um in Deutschland auf die Menschheit los gelassen zu werden. Die IHK wehrt sich natürlich mit Händen und Füßen gegen die Trennng von diesem Monopol, da es schließlich jährlich Unsummen in die Kassen der IHK spült.

Da nun erklärt ist, dass die Sicherheitsbranche (es wird wiederholt: es geht hier um den Schutz der wichtigsten Rechtsgüter der Bürger) eigentlich keine wesentlichen Mindeststandards hat, verwundert es nicht, das bei dieser Branche das „Preisdumping“ zum täglichen Erscheinungsbild gehört.

Die Lage mit den Flüchtenden hat sich dann im Laufe der Jahre 2017 und 2018 eingepegelt. Natürlich ist im vorangehenden Zeitraum zwischen 2015 und 2018 im Rahmen der Bewachung von Asylunterkünften einiges vorgefallen, das auch medial entsprechend Beachtung fand. Denken wir nur an die Fotos eines „Security“ der seine „Turnschuhe“ auf den Rücken eines am Boden liegenden gefesselten Flüchtenden gestellt hatte, um für ein Foto zu posieren.

Die Legislative hat sich schlussendlich entschlossen, dagegen zu steuern und eine Reihe an Maßnahmen durchzusetzen (ohne Anspruch auf Vollzähligkeit):

  • Für öffentliche Aufträge soll das Unternehmen verpflichtend (!) eine Zertifizierung nach DIN 77200 oder ISO 9001 vorweisen können, und/oder in einem Berufsverband, wie dem BDSW, sein. Wenn man wiedergeben würde, was genau die größten Firmen, die Mitglied im BDSW und zudem zertifiziert sind, so alles selbst getrieben haben, bzw. noch treiben, dürfte man in Kürze mit Abmahnungen auf Unterlassung rechnen. Fakt ist: Wer die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland als Branchenkenner miterlebt hat, weiß welch ein Boom diese für die Branche bedeutete, und welche Stilblüten es z. T. von den renommiertesten Firmen dabei gegeben hatte. Für den Verfasser dieses Textes hatte und hat es sich mit der Zugehörigkeit beim BDSW erledigt, und eine Zertifizierung wird nur abgelegt, wenn diese zur Aufrechterhaltung des Unternehmens zwingend notwendig wird. Ansonsten sind beide Kostenstellen nur teuer bezahltes und bunt bedrucktes Papier.
  • Das BAFA. Das Bundesamt für Anmeldung hat seit 2016 den Auftrag, alle Mitarbeiter und Betriebe der Sicherheitsbranche auf Qualifikation und Zuverlässigkeit zu überprüfen. Soweit so gut. Diese Überprüfung ist seit Mitte 2018 zwingend erforderlich für die, die in der Branche arbeiten möchten. Davon abgesehen, dass die ganze Software in den ersten Monaten alles andere als stabil lief, sitzen an den Computern Behördenmitarbeitende (die Ordnungsämter der Wohnsitze der Mitarbeitenden sind hier seit 2018 ebenfalls involviert), die offenbar von diesem System wenig bis nichts zu hören bekommen haben, und sich so (ordentliche) Anmeldungen unnötig über Monate (!) hinziehen. Aber auch hier gilt: Jede Vorschrift hat seine Lücken. Fragt man dann z. B. ein neu einzusetzendes Subunternehmen nach den BAFA-Ausweise der Mitarbeitenden (jede*r bekommt diese persönlich zugeteilt), erhält man diese prompt. Auch hier ist der Fehler schnell gefunden, wenn man ihn denn auch finden will: Meldet man einen Mitarbeitenden bei der BAFA an, erhält man sofort eine ID für ihn. Allerdings noch keine Freigabe. Mit diesen Ausweisen wird dann aber über den Markt gegangen, als ob alle eigenen Mitarbeitenden bereits die nötige Lizenz besäßen. In Wahrheit dürften diese zu diesem Zeitpunkt der Überprüfung, da noch keine Freigabe des BAFA vorliegt, nicht einmal einen Mülleimer bewachen.
  • Wechsel der Zuständigkeit von Finanz- zu Innenministerium. Ein Wechsel, den die Branche wohl mehrheitlich unterstützt. Ob es etwas Positives bringt, bleibt abzuwarten.

Die Legislative hatte reagiert. Aber wie so oft werden Ideen nicht zu Ende gedacht, bzw. bis zum Ende verfolgt. Der*die Polizist*in und der Ordnungsamt-Mitarbeitende auf der Straße kontrollieren die Sicherheitskräfte in aller Regel nur im Zuge von Vorkommnissen im Rahmen derer Dienstausübung. Auffälligkeiten bei den Security-Angestellten hinsichtlich ihrer Qualifikation und Zuverlässigkeit sind dann reine Zufallstreffer. Die Beamten der Exekutive sind ja insgeheim froh über die privaten Sicherheitsleute, welche sie in ihrer Arbeit oft unterstützen und präventiv Lücken schließen. Deshalb kontrollieren „Schutzmänner“ die Mitarbeitenden fast nur anlassbezogen.

Der Zoll hat eine Abteilung, die sich Finanzkontrolle Schwarzarbeit nennt. Diese sind aber nicht nur für das Bewachungsgewerbe zuständig — und der geneigte Leser dürfte inzwischen herausgelesen haben, dass hier einiges im Argen liegt — sondern für alle Gewerke in Deutschland. Bis vor geraumer Zeit durften die Zollbeamten auch nicht die notwendigen Qualifikationen der Sicherheitsdienst-Mitarbeitenden überprüfen. Es wurde lediglich überprüft, ob die Angestellten den Mindestlohn erhalten und in welcher Höhe Sozialabgaben bezahlt werden. In Kürze: Man hatte vom Zoll nichts zu befürchten, wenn man den Angestellten ordentlich bezahlte und die Abgaben für seine Arbeit entrichtete, auch wenn der Angestellte erst einen Tag vorher auf der Erde ankam und auf den Namen Predator hört. Der Leser möge den Sarkasmus an dieser Stelle entschuldigen.

Zwischen 2018 und 2020 konnte man in der Sicherheitsbranche von einer geregelten Zeit sprechen. Die Auftragslage hat sich wieder Richtung Normalität eingependelt. Und dann kam Corona. Mit Ende der Fasnacht/Fasching/Karneval Saison wurde alles dicht gemacht was man irgendwie dicht machen konnte — was man nicht schließen konnte, wurde entsprechend bewacht.

Auch hier witterten viele Morgenluft und stampften ein Unternehmen aus dem Boden, um ein möglichst großes Stück Kuchen abzubekommen. Und siehe da, das Prinzip von Angebot und Nachfrage, die den Preis regeln, haben gerade diese Leute verstanden, die normalerweise von einer guten Kalkulation keine Ahnung haben. Hier wurden bei der ersten Pandemie Höchstpreise aufgerufen, die es bis dahin nicht gegeben hatte.

Für die Gewinnoptimierung hat dann der BDSW weiter geholfen. Der Verband erklärte kurzerhand die Sicherheitsmitarbeitenden an Geschäften zu Servicekräften, die lediglich die Anzahl der Kund*innen prüften und die Einkaufswägen desinfizierten, die keinerlei §34a Pflicht unterliegen. Da war auf einmal jede*r „Security“, der in der Lage war sich eine entsprechende Jacke anzuziehen.

Ein Berufsverband, der Gesetze derart aushebelt, und so völlig ungeeigneten Personen den Markt eröffnet, darf sich auf jeden Fall nicht wundern, dass das Ansehen der Branche in Deutschland so ist wie es heutzutage ist. Und genau diese Firmen, die während großer Krisen aus dem Boden sprießen, kommen in Phasen der Normalität ins trudeln. Sobald der Kunde die Wahl hat, sich den Sicherheitsdienstleister aussuchen zu können, werden diese Firmen merken, dass sie den Kunden nichts zu bieten haben, außer einem billigen Preis. Man unterläuft jede ordentliche Preiskalkulation massiv und kommt so dann noch an Aufträge. Schließlich gilt der Satz in Deutschland noch: „Geiz ist geil.“.

Wie kann man mit einer „grob geschätzten“ Überschlagung des Angebotspreises überleben? Eigentlich gar nicht, denn die Firmeninhaber gehen in die Insolvenz, das Geschäft wird von einem Nachfolger übernommen oder wiedereröffnet, in der Regel zieht der Pleite gegangene Unternehmer weiter im Hintergrund die Fäden. Die Mitarbeitenden bleiben dann in der Regel auf ihrem Entgelt sitzen, genau wie der Staat mit den Sozialabgaben und Steuern. Eine andere beliebte Vorgehensweise der Billig-Unternehmen: Nur ein Teil der Löhne wird offiziell bezahlt und die Abgaben dafür rechtmäßig abgeführt. Den anderen Teil der Löhne bekommen die Mitarbeitenden schwarz. Und welche Mitarbeiter das noch gut finden, von denen kann man an Qualität im Job bestimmt nichts erwarten. Warum? Klar haben die zuerst mal mehr Geld zur Verfügung (insofern sie das Schwarzgeld auch bekommen, zu oft wird das nämlich für AMG Kosten in der Chefetage gebraucht…), aber wenn diese in die Arbeitslosigkeit gehen, oder irgendwann in die Rente, dann werden die zustehenden Summen von den offiziell erhaltenen Löhnen errechnet, und nicht vom Schwarzgeld.

Zusammenfassend schätzt der Verfasser, dass 70-80% der Beschäftigten sicherlich einen guten Job machen können, nur eben nicht in der Sicherheit. Ein wesentlicher Teil der Unternehmen arbeitet mit unlauteren Mitteln am Markt, zum Teil auch nur, weil es ihnen sehr einfach damit gemacht wird. Ein anderer Teil macht das völlig bewusst und will nicht nachhaltig arbeiten, sondern das Maximum an Gewinnen rausziehen, egal mit welchen Methoden. Und macht dann solch ein Unternehmen zu, oder wird — wie in viel zu seltenen Fällen behördlich zu gemacht — dann schießen wieder zwei neue Firmen aus dem Boden.

Was kann der Staat tun?

  • Abschaffung der Unterrichtung nach §34a GewO als Berufsqualifikation.
  • Mindestqualifikation als Berufsqualifikation die Sachkundeprüfung nach §34a GewO
  • Der Unternehmensinhaber, bzw. der Geschäftsführer, hat die Pflicht als Mindestqualifikation den Meister für Schutz und Sicherheit vorweisen zu können.
  • Das Verfahren des BAFA sollte jedem involviertem Behördenmitarbeiter klar verständlich sein, damit das Prüfverfahren zeitnah abgeschlossen werden kann, und die ID`s der Prüflinge sollten erst herausgegeben werden, wenn die Prüfung positiv abgeschlossen wurde.
  • Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollte der Zuschlag immer das zweitgünstigste Angebot erhalten, alle anderen Angebotsvorgaben als erfüllt vorausgesetzt.

Mehr braucht es in den Augen des Verfassers nicht, um die Branche aus der Schattenwelt zu führen. Und wenn die Branche sich dann mal im Sonnenlicht befindet, sollte der Staat, wie in vielen anderen EU Staaten seit Jahren selbstverständlich, den privaten Unternehmen mehr Zugeständnisse machen.

Wenn nur noch weitestgehend korrekte Unternehmen sich auf dem Markt befinden, sollten die Genehmigungsverfahren für entsprechende Ausrüstungen und Befugnisse gelockert bzw. erlassen werden. Es kann schließlich nicht sein, dass der private Mitarbeitende mehrheitlich die erst involvierte Sicherheitskraft an einem Ereignisort ist, und nicht über entsprechende Bewaffnung und Schutzausrüstung verfügen darf. Die Polizei, die darüber verfügt, kommt häufig retrospektiv dazu, wenn es gar keine Gefahrenlage mehr gibt. Und dass bei der Polizei bei der Dienstausübung auch nicht immer alles glatt läuft, erfährt man fast täglich aus den Medien.

Die Polizei hat als oberste Aufgabe die Gefahrenabwehr, oft sind es aber die Privaten, dehnen diese Aufgabe aufgebürdet wird. Das Gewaltmonopol des Staates ist nicht nur dessen Recht, sondern auch dessen Pflicht. Und wenn der Staat erwartet, das man als erst involvierte Kraft mit Garantenstellung einschreitet, dann sollte von diesem Grundprinzip des Gewaltmonopols des Staates in angemessener Form abgewichen werden!

Frau Merkel sagte einmal „Wir schaffen das.“ Dem stimme ich zu: Auch ich glaube, dass wir es schaffen können, wenn die wichtigsten Interessen Einzelner nicht mehr nur wirtschaftlicher Natur sind und der Staat sein Regelwerk an den Stellen verschlankt, bei denen es darauf ankommt

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